Wer sich mit dem Thema Kurkuma beschäftigt, wird früher oder später auf das Thema Pfeffer und Piperin stoßen. Die Begriffe werden zum Teil synonym verwendet. Häufig liest man, dass die Einnahme von Kurkuma ohne Pfeffer gar keinen Sinn macht. Doch was genau hat es mit dieser Kombination auf sich? Worin besteht der besondere Nutzen von Piperin?

Was ist Piperin?

Piperin ist ein natürliches Alkaloid aus schwarzem Pfeffer, also eine stickstoffhaltige Verbindung, die dem Pfeffer seine Schärfe verleiht. Es ist nur einer von vielen Bestandteilen des schwarzen Pfeffers und macht lediglich einen kleinen Anteil des Pfefferkorns aus. Der schwarze Pfeffer selbst gilt in der Alternativmedizin als natürliches Heilmittel. Angebaut wird er vorwiegend in Indien, Madagaskar, Brasilien, Indonesien und Sri Lanka. Um den Pfeffer, wie wir ihn kennen, zu gewinnen, werden die unreifen Fruchtbeeren geerntet und getrocknet. Die getrockneten Körner enthalten dann unter anderem Proteine, Fette, Kalzium und Piperin (1).

Welche Eigenschaften hat Piperin?

Piperin ist besonders interessant, da es eine ganz bestimmte Eigenschaft hat – es agiert als Drug-Enhancer. Das bedeutet, dass es die Aufnahme von Medikamenten in den Körper steigert. Es hemmt bestimmte Enzyme in der Leber, die Fremdstoffe verstoffwechseln und leichter ausscheidbar machen: Die sogenannten CYP-Enzyme. Außerdem blockiert es das p-Glykoprotein in der Leber. Dieses transportiert Fremdsubstanzen, die gerade in eine Zelle aufgenommen wurden, sofort wieder nach draußen. Diese auf den ersten Blick etwas seltsamen Mechanismen des Körpers dienen dazu, potentiell schädliche Substanzen fernzuhalten (1). Diese Wirkung scheint zunächst einmal nur temporär zu sein (2). Wird Piperin jedoch länger eingenommen, wird der Einbau der entsprechenden Proteine in den Zellen herunterreguliert, sodass die Wirkung länger anhält (3).

Auf Basis dieser Mechanismen konnte man zeigen, dass Piperin die Verstoffwechselung und Bioverfügbarkeit verschiedener Medikamente signifikant beeinflusst (4). Die untersuchten Medikamente stammen alle aus völlig unterschiedlichen Wirkstoffklassen. Das legt nahe, dass Piperin mit ganz unterschiedlichen Medikamenten interagiert. Die Nebenwirkungen sind daher unkalkulierbar. Man weiß aktuell noch nicht, über welchen der genannten Mechanismen das Piperin die Bioverfügbarkeit von Medikamenten beeinflusst. Demnach könntedie Bioverfügbarkeit theoretisch sogar vermindert werden (5, 6). Die unkontrollierte Einnahme von Piperin zusammen mit anderen Medikamenten muss derzeit aus den genannten Gründen als potentiell schädlich angesehen werden. Dies sollte mithilfe weiterer Studien geklärt werden.

Wieso kombiniert man Kurkuma mit Piperin?

Oft steht man vor dem Problem, dass eigentlich hochwirksame Substanzen ihren vollen Nutzen nicht entfalten können, da der Körper sie nicht aufnehmen kann. So auch bei Kurkuma, beziehungsweise dem Inhaltsstoff Curcumin. Im Jahr 1998 wurde eine Studie durchgeführt, in der man versuchte, die Bioverfügbarkeit von Curcumin mithilfe von Piperin zu erhöhen. Zunächst erfolgte der Versuch bei Ratten, später dann auch bei Menschen. Es handelte sich hierbei um die erste Studie überhaupt, mit der man versuchte, die Bioverfügbarkeit von Curcumin zu steigern. Das Ergebnis war vielversprechend: Eine Steigerung der Bioverfügbarkeit gegenüber normalem Curcumin um den Faktor 20. Nach damaligen Maßstäben durchaus ein Erfolg. Ursprünglich hatte man angenommen, dass der Transport von Curcumin ins Blut gar nicht möglich sei (7).

Damit hatte man nun eine Möglichkeit, Curcumin effektiv als Nahrungsergänzungsmittel anzubieten, was zahlreiche Hersteller dann auch umgehend taten. Unterstützt wurde dieser Trend durch einen Zahlendreher bei der Interpretation der Studie, der sich im damals aufkommenden Internet für Jahre festsetzte: In besagter Studie war es gelungen, die Bioverfügbarkeit des Curcumins um den Faktor 20 zu steigern. Das entspricht 2000%. Mit der Zeit entstand daraus jedoch die Aussage, Piperin steigere die Bioverfügbarkeit von Curcumin um das 2000-fache. Ein Fehler um den Faktor 100! 

Die langjährige Etablierung und der praktische Zahlendreher sorgten dafür, dass Piperin-Präparate lange Zeit den Kurkuma-Markt dominierten. Dabei existieren mittlerweile diverse Möglichkeiten, die Bioverfügbarkeit effektiver und vor allem auch sicherer zu steigern. Denn die Wirkung des Piperins betrifft ja wie oben erwähnt nicht nur allein das Curcumin.  

Reizung der Darmschleimhaut durch Piperin 

Ein weiterer Grund, warum Piperin die Aufnahme anderer Stoffe steigert, ist sein Einfluss auf die Darmschleimhaut. Es steigert nämlich die “Durchlässigkeit” der obersten Zellschicht, auch Permeabilität genannt. Dadurch gelangen verschiedenste Substanzen leichter zwischen den Zellen hindurch (8). Dieser Vorgang muss nicht zwingend schädlich sein. Jedoch sollte man sich vor Augen führen, dass viele Erkrankungen im Darm mit einer solchen Steigerung der Permeabilität einhergehen (9). Daher besteht die Möglichkeit, dass Piperin bei diesen Erkrankungen die Beschwerden verschlimmert.

Piperin gegen Mizelle

Mittlerweile ist die Forschung zur Bioverfügbarkeit von Curcumin weiter fortgeschritten. Speziell mizellares Curcumin hat sich in den vergangenen 10 Jahren als die therapeutisch effektivere Darreichungsform durchgesetzt (10-13). Dabei wurde mizellares Curcumin sogar direkt mit der Piperin-Kombination, sowie weiteren Curcumin-Präparaten verglichen. Das Ergebnis war eindeutig: Während Piperin zu einer kaum messbaren Steigerung der Bioverfügbarkeit führte, erwies sich die Mizelle als mit Abstand effektivste Form (13).

Fazit

Bei nüchterner Betrachtung gibt es aus den genannten Gründen keinen rationalen Grund, auf Kurkuma-Präparate mit Piperin zurückzugreifen. Sie sind vergleichsweise wenig effektiv und bieten das mit Abstand größte Risiko für Nebenwirkungen und Komplikationen. Für eine nützliche Einnahme von Kurkuma gibt es mittlerweile verschiedene Präparate in unbedenklichen Kombinationen, auf die man zurückgreifen kann. Die effektivste Variante stellen dabei mizellare Präparate dar.

Quellenverzeichnis

  1. Bhardwaj, R. K., Glaeser, H., Becquemont, L., Klotz, U., Gupta, S. K., & Fromm, M. F. (2002). Piperine, a major constituent of black pepper, inhibits human P-glycoprotein and  CYP3A4. The Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics, 302(2), 645–650. https://doi.org/10.1124/jpet.102.034728
  2. Atal, C. K., Dubey, R. K., & Singh, J. (1985). Biochemical basis of enhanced drug bioavailability by piperine: evidence that piperine is a potent inhibitor of drug metabolism. The Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics, 232(1), 258–262.   
  3. Ren, T., Yang, M., Xiao, M., Zhu, J., Xie, W., & Zuo, Z. (2019). Time-dependent inhibition of carbamazepine metabolism by piperine in anti-epileptic treatment. Life Sciences, 218, 314–323.
  4. Bedada, S. K., Boga, P. K., & Kotakonda, H. K. (2017). Study on influence of piperine treatment on the pharmacokinetics of diclofenac in healthy volunteers. Xenobiotica; the Fate of Foreign Compounds in Biological Systems, 47(2), 127–132. https://doi.org/10.3109/00498254.2016.1163752 
  5. Jin, M.-J., & Han, H.-K. (2010). Effect of piperine, a major component of black pepper, on the intestinal absorption of fexofenadine and its implication on food-drug interaction. Journal of Food Science, 75(3), H93-6. https://doi.org/10.1111/j.1750-3841.2010.01542.x 
  6. Hussaarts, G., Hurkmans, D., De Hoop, E. O., van Harten, L. J., Berghuis, S., van Alphen, R. J., … Mathijssen, R. H. J. (2018). Impact of curcumin with and without (+/-) piperine on tamoxifen exposure. Journal of Clinical Oncology. https://doi.org/10.1200/jco.2018.36.15_suppl.2572 
  7. Shoba, G., Joy, D., Joseph, T., Majeed, M., Rajendran, R., & Srinivas, P. S. S. R. (1998). Influence of piperine on the pharmacokinetics of curcumin in animals and human volunteers. Planta Medica, 64(4), 353–356. https://doi.org/10.1055/s-2006-957450
  8. Khajuria, A., Thusu, N., & Zutshi, U. (2002). Piperine modulates permeability characteristics of intestine by inducing alterations in membrane dynamics: influence on brush border membrane fluidity, ultrastructure and enzyme kinetics. Phytomedicine : International Journal of Phytotherapy and Phytopharmacology, 9(3), 224–231. https://doi.org/10.1078/0944-7113-00114
  9. Yu, L. C.-H. (2018). Microbiota dysbiosis and barrier dysfunction in inflammatory bowel disease and  colorectal cancers: exploring a common ground hypothesis. Journal of Biomedical Science, 25(1), 79. https://doi.org/10.1186/s12929-018-0483-8
  10. Schiborr, C., Kocher, A., Behnam, D., Jandasek, J., Toelstede, S., & Frank, J. (2014). The oral bioavailability of curcumin from micronized powder and liquid micelles is significantly increased in healthy humans and differs between sexes. Molecular Nutrition and Food Research, 58(3), 516–527. https://doi.org/10.1002/mnfr.201300724
  11. Kocher, A., Schiborr, C., Behnam, D., & Frank, J. (2015). The oral bioavailability of curcuminoids in healthy humans is markedly enhanced by micellar solubilisation but not further improved by simultaneous ingestion of sesamin, ferulic acid, naringenin and xanthohumol. Journal of Functional Foods, 14, 183–191. https://doi.org/10.1016/j.jff.2015.01.045
  12. Kocher, A., Bohnert, L., Schiborr, C., & Frank, J. (2016). Highly bioavailable micellar curcuminoids accumulate in blood, are safe and do not reduce blood lipids and inflammation markers in moderately hyperlipidemic individuals. Molecular Nutrition & Food Research, 60(7), 1555–1563. https://doi.org/10.1002/mnfr.201501034
  13. Flory, S., Sus, N., Haas, K., Jehle, S., Kienhöfer, E., Waehler, R., Adler, G., Venturelli, S., & Frank, J. (2021). Increasing Post-Digestive Solubility of Curcumin Is the Most Successful Strategy to  Improve its Oral Bioavailability: A Randomized Cross-Over Trial in Healthy Adults and In Vitro Bioaccessibility Experiments. Molecular Nutrition & Food Research, 65(24), e2100613. https://doi.org/10.1002/mnfr.202100613