In der modernen Medizin besteht schon seit längerem Interesse am therapeutischen Potential von Kurkuma. Der südostasiatischen Wurzel werden viele gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Besonders der gelbe Farbstoff Curcumin besitzt entzündungshemmendes, antibakterielles und antioxidatives Potential. Ein großes Problem besteht jedoch darin, dass Curcumin eine sehr geringe Bioverfügbarkeit hat. Das bedeutet, dass der Stoff nur schwer im Körper aufgenommen wird und bloß für kurze Zeit im Blut verbleibt. Dadurch hilft die Einnahme von nativem Curcumin nur bedingt bei Erkrankungen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wurden verschiedene Darreichungsformen zur Steigerung der Bioverfügbarkeit entwickelt. Eine besonders erfolgsversprechende Form ist das mizellare Curcumin.

Was ist eine Mizelle?

In der Chemie sind Mizellen amphiphile Moleküle, die sich ab einer bestimmten Konzentration im Wasser zusammenlagern. Amphiphile Moleküle sind Teilchen, die einen hydrophilen, wasserlöslichen und einen hydrophoben, wasserunlöslichen Teil besitzen. Bei Mizellen, die sich in Wasser bilden, sitzt der wasserlösliche Part auf der Außenseite der kugelförmigen Mizelle. Die unlöslichen Schwänze der Moleküle befinden sich auf der Innenseite der Mizelle.

Mizellen sind sehr kleine Moleküle mit einer typischen Größe von einigen Nanometern (1).

Besonders bei der Verdauung spielen Mizellen für den Körper eine kritische Rolle: Um vom Körper aufgenommen zu werden, muss ein Stoff wasserlöslich sein. Andernfalls gelangt er nicht durch die Darmwand und wird wieder ausgeschieden. Über die Nahrung werden Fette meist als Triglyceride aufgenommen. Ein Triglycerid besteht immer aus drei Fettsäuren und einem Glycerinanteil. Dabei unterscheidet man zwischen kurzen, mittellangen und langen Triglyceriden. Kurze sind gut wasserlöslich und können so leicht durch die Zellen der Darmwand gelangen. Mittellange und lange Fettketten hingegen sind zu schlecht wasserlöslich für die Zellmembranen. Im Dünndarm schließen sich deshalb Monoglyceride und lange Triglyceride mit Gallensäure zu Mizellen zusammen. Da die Gallensäure gut wasserlöslich ist, entstehen so amphiphile Mizellen. Diese können durch die Membran der Darmzellen diffundieren. Im Inneren der Zellen werden die Monoglyceride und Triglyceride wieder freigegeben. Durch die Darmlymphe gelangen die Fette in den Blutkreislauf und somit in die Leber, Muskel-, oder Fettzellen (2).

Auch in der Pharmakologie sind Mizellen von großem Interesse. Sie ermöglichen es, die Wirkung von wasserunlöslichen Stoffen zu erhöhen. Mizellen sorgen für einen minimalen Abbau des Wirkstoffes, verhindern schädliche Nebenwirkungen und erhöhen die Wirkstoffkonzentration im Körper (3).

Steigerung der Bioverfügbarkeit mit Mizell-Kurkuma

Um von den gesundheitsfördernden Fähigkeiten des Curcumins zu profitieren, ist es wichtig, seine Bioverfügbarkeit zu erhöhen. Zu diesem Thema wurden zahlreiche Studien veröffentlicht. Zu den vielversprechendsten Arbeiten gehört dabei eine Studie der Universität Hohenheim von 2014:

In dieser Studie untersuchten Schiborr und Kollegen verschiedene Curcumin Formulierungen auf ihre orale Bioverfügbarkeit. Außerdem untersuchten sie die Sicherheit der Stoffe und potentielle Unterschiede zwischen Männern und Frauen (4).

In der Studie nahmen 13 Frauen und zehn Männer einmal 500mg Curcumin zu sich. Dabei handelte es sich entweder um unbehandeltes oder mikronisiertes Curcumin-Pulver, oder flüssige Curcumin-Mizellen. Mikronisierung ist ein Verfahren, bei dem das Curcumin in kleinere Partikel zermahlen wird. Dadurch soll sich der Stoff besser in Wasser lösen und die Bioverfügbarkeit erhöht werden (5). Die Teilnehmer sollten eine Woche vor Beginn des Versuches auf Curcumin-haltige Lebensmittel verzichten. Dies wurde mit einer Plasma-Messung bestätigt. Vor Einnahme des Curcumins aßen die Probanden ein normales Essen. Nach einem zwölf-stündigen Fasten über Nacht, nahmen sie am nächsten Morgen das Curcumin zu sich. Über die nächsten 24 Stunden wurden zu verschiedenen Zeitpunkten Blut- und Urin-Proben genommen.

Anhand der Blutproben wurde die AUC berechnet. Diese wird verwendet, um die genaue Bioverfügbarkeit eines Stoffes zu bestimmen. Dazu wird die Konzentration im Blut zu verschiedenen Zeitpunkten gemessen. Die Fläche unter dieser Kurve (Area under curve) zeigt, wie viel und zu welcher Zeit der Stoff im Blut ankommt. Auch der Zeitpunkt der maximalen Wirkstoffkonzentration (Cmax) zu welcher Zeit (tmax) wird bestimmt. Eine hohe AUC bedeutet also, dass der Stoff zu großen Mengen und für eine lange Zeit im Körper wirkt (6). Basierend auf der AUC hatte das mikronisierte Curcumin eine durchschnittlich neunfache Steigerung der Bioverfügbarkeit im Vergleich zum einfachen Curcumin. Das mizellare Curcumin kam hingegen auf eine durchschnittliche Steigerung um den Faktor 185! Dabei handelt es sich um den bis heute höchsten, auf diese Weise ermittelten Wert. Mizellares Curcumin erreichte auch schneller die maximale Konzentration im Blut als das mikronisierte.

In dieser Studie wurde veranschaulicht, dass mizellares Curcumin effizienter in den Blutkreislauf gelangt als unbehandeltes. Durch die Mizellen gelangt das Curcumin durch die Zellen im Darm ins Blut. Damit wird es besser vom Körper verwertet. Die Wirkstoffkonzentration steigt und der Stoff verbleibt außerdem länger im Körper und wird nicht mehr so schnell abgebaut (4).

Langzeitspiegel durch Mizelle

Curcumin wirkt am besten, wenn es über einen längeren Zeitraum regelmäßig eingenommen wird. Da unbehandeltes Curcumin nur schwer vom Körper aufgenommen wird, baut sich hier jedoch kein konstanter Spiegel im Blut auf. In einer Studie von Kocher et al. wurden die Effekte von mizellarem Curcumin auf den Plasma Spiegel untersucht. Dazu bekamen 17 Männer und 25 Frauen über sechs Wochen hinweg täglich 241mg mizellares Curcumin oder ein Placebo zu ihrem Essen. Nach diesen sechs Wochen wurde der morgendliche Curcumin-Spiegel vor der ersten Einnahme gemessen. Da Curcumin schnell abgebaut wird, wäre normales Curcumin hier bereits nicht mehr detektierbar. Beim mizellaren Curcumin wurde jedoch eine Konzentration von immer noch 49 nmol/L gemessen! Damit ist Mizell-Kurkuma die einzige Formulierung, mit der gelungen ist, einen Nüchtern-Curcumin-Spiegel zu erzeugen (7).

Diese Erkenntnis unterstreicht den Einfluss von Mizell-Kurkuma auf die Bioverfügbarkeit und das therapeutische Potential von Curcumin. Die Ergebnisse zeigen, dass es bei regelmäßiger Einnahme von Mizell-Curcumin möglich ist, den Körper kontinuierlich mit Curcumin zu versorgen.

Mizell-Kurkuma: Die effektivste Form von Curcumin

Der Vergleich der Bioverfügbarkeit zwischen Studien ist mit Problemen verbunden. Da Curcumin kaum aufgenommen wird, ergeben sich daraus extrem hohe Steigerungen der Bioverfügbarkeit verschiedener Formulierungen. Zusammen mit oft sehr unterschiedlichen Versuchsbedingungen macht es das schwierig, Studien ins Verhältnis zu setzen. Es ist daher aussagekräftiger, verschiedene Formulierungen in derselben Studie miteinander zu vergleichen.

Aus diesem Grund haben Flory et al. in der bislang größten Studie dieser Art die sieben beliebtesten Strategien zur Steigerung der Bioverfügbarkeit von Curcumin unter identischen und standardisierten Bedingungen untersucht. Sie begutachteten im Rahmen dessen auch die Stabilität und den Transport durch die Darmzellen. Neben mizellarem Curcumin wurden auch die Kombination mit Piperin, ätherischen Ölen, Phospholipiden, Cyclodextrin und Curcumin-Liposomen untersucht.

Um die verschiedenen Curcumin Darreichungsformen zu testen, bekamen zwölf gesunde Erwachsene einmal je 207mg Curcumin in Form der verschiedenen Darreichungsformen.

Das Ergebnis war eindeutig: Mizellares Curcumin erzielte die mit großem Abstand besten Ergebnisse. Andere, beliebte Varianten, wie die Kombination mit Piperin, erzielten nur eine minimale Steigerung. Das mizellare Curcumin gelangte schneller und in größerer Menge ins Blut. Außerdem wurde es nicht so schnell abgebaut, wie die anderen Verarbeitungsformen. Lediglich die Kombination mit Cyclodextrin erzielte ebenfalls ein solides Ergebnis, blieb jedoch immer noch deutlich hinter dem Mizell-Curcumin zurück (8).

Fazit

Dank der chemischen Eigenschaften von Mizellen, kann man mit ihnen die Bioverfügbarkeit von verschiedenen Stoffen deutlich steigern. Mit ihrer hydrophilen Außenseite gelangen sie gut durch die Membranen von Darmzellen und somit ins Blut. Im Inneren können sie hydrophobe Stoffe einschließen und in die Zellen schleusen.

Da Curcumin ein stark hydrophobes Molekül ist, wird es vom Körper nur in sehr geringen Mengen aufgenommen. Mithilfe von Mizellen ist es möglich, die Bioverfügbarkeit von Curcumin deutlich zu erhöhen. Dies wurde anhand mehrerer, unabhängiger Studien bewiesen. Auch im direkten Vergleich zu anderen Formulierungen gelangte mizellares Curcumin signifikant schneller und in größeren Mengen ins Blut.

Mit mizellarem Curcumin baut sich nach einer bestimmten Zeit ein Spiegel des Stoffes im Blut auf. Das beweist, dass eine regelmäßige Einnahme zu einer dauerhaften Wirkung von Curcumin führt. Damit ist es möglich, bereits mit einer geringen Tagesdosis, den Körper langfristig mit Curcumin zu versorgen.

Quellenverzeichnis

  1. Mizellen (chemie.de) (16.2.2023)
  2. Fettverdauung || Med-koM (medizin-kompakt.de) (19.2.2023)
  3. Ahmad, Z., Shah, A., Siddiq, M., & Kraatz, H. B. (2014). Polymeric micelles as drug delivery vehicles. In RSC Advances (Vol. 4, Issue 33, pp. 17028–17038). Royal Society of Chemistry. https://doi.org/10.1039/c3ra47370h
  4. Schiborr, C., Kocher, A., Behnam, D., Jandasek, J., Toelstede, S., & Frank, J. (2014). The oral bioavailability of curcumin from micronized powder and liquid micelles is significantly increased in healthy humans and differs between sexes. Molecular Nutrition and Food Research, 58(3), 516–527. https://doi.org/10.1002/mnfr.201300724
  5. Mikronisierung – Lexikon – Ebbecke (ebbecke-verfahrenstechnik.de) (20.2.2023)
  6. Was gibt die Bioverfügbarkeit eines Wirkstoffs an? (progenerika.de) (4.2.2023)
  7. Kocher, A., Bohnert, L., Schiborr, C., & Frank, J. (2016). Highly bioavailable micellar curcuminoids accumulate in blood, are safe and do not reduce blood lipids and inflammation markers in moderately hyperlipidemic individuals. Molecular Nutrition and Food Research, 60(7), 1555–1563. https://doi.org/10.1002/mnfr.201501034
  8. Flory, S., Sus, N., Haas, K., Jehle, S., Kienhöfer, E., Waehler, R., Adler, G., Venturelli, S., & Frank, J. (2021). Increasing Post-Digestive Solubility of Curcumin Is the Most Successful Strategy to Improve its Oral Bioavailability: A Randomized Cross-Over Trial in Healthy Adults and In Vitro Bioaccessibility Experiments. Molecular Nutrition and Food Research, 65(24). https://doi.org/10.1002/mnfr.202100613